II. Liber fratris Johannis Hungari de Bartpha.
Am 6. Februar 1471 starb, wir wissen leider nicht wo, Anton Schwarz, aus der königlichen Freistadt Bartfa in Ungern, nachdem er drei Jahre zuvor, im Februar 1468, vier Kinder, zwei Söhne und zwei schöne Töchter, an der Pest verloren hatte. Vielleicht war er ausgewandert, und hatte die Scholtisei in dem Leubusser Stiftsdorfe Seitsch erworben. Sein Sohn Johannes nennt sich zwar einen Unger aus Bartfa, schrieb auch einzelne Wörter in ungrischer Sprache zu seinem Namen, trat aber wenige Tage nach seines Vaters Tode, am Aschermittwoch (27. Febr.) 1471 ins Kloster Leubus ein. Dort sammelte er sich nach damaliger Weise, da Bücher selten und theuer waren, allerlei Schriften, die ihm gefielen, Ascetisches, Legenden, Gedichte, die er auf einzelne Lagen Papier abschrieb. Später liess er das zusammen binden, wobei auf den Rändern der Blätter hin und wieder etwas verloren ging; dann hat er auch auf die vielen leeren Blätter noch später wieder Anderes geschrieben. Bei vielen der einzelnen Stücke aber bemerkte er sorgfältig, dass er, oft wo und wann er es geschrieben. Einiges, wie das Epitaphium S. Bernhards, die metrificirte Legende der h. Agnes von Joseph Biprius, ist noch aus dem Jahre 1471. Am Tage der Unschuldigen Kindlein 1472, d. h. nach unserer Rechnung am 28. Dezember 1471, befand er sich in Guntersberg, einer nicht lange nachher verlorenen Besitzung des Klosters Leubus im Krossnischen, und hier mag er eine Zeit lang geblieben sein, und unter anderen die unten abgedruckten Gedichte geschrieben haben, wie denn der Dolus mundi nach 1473 aus Güntersberg datirt ist. Von da begab sich Bruder Johannes nach dem benachbarten Kloster seines Ordens, Neuzelle bei Guben, wo er unter andern einen langen Brief des bekannten Bruders Matheus von Königsaal abschrieb, gerichtet an den Abt Vincenz von Altenzelle, wo jener nach seiner Vertreibung durch die Hussiten eine Zuflucht gefunden hatte. In dem Briefe, welcher grossentheils aus Bibelstellen besteht, ergeht er sich zuerst in vielen Bezeugungen der Dankbarkeit, und eifert dann gegen die Ketzer, welche, während sie rechtgläubige Katholiken und vorzüglich die Priester grausam verfolgen, die Juden ungestört unter sich dulden. Als Zeichen seiner Dankbarkeit sendet er: expositionem ympnorum in ordine nostro decantari consuetorum.
Schon am 17. November desselben Jahres 1473 hatte Johannes wieder im Kloster Leubus ein Tractätlein abgeschrieben, und blieb nun vermuthlich dort, da sich weiter keine Angaben eines andern Ortes finden. Er erlebte dort die Verwüstung der Klosterdörfer im November 1474 durch die Polen, welche damals mit König Mathias Krieg führten. 1475 am Sonntag nach Ostern schloss er wieder eine seiner Abschriften, und setzte darunter folgende etwas heterogene Verse, mit Noten zum Singen versehen:
Is hat eyn man eyn töchterleyn
ys wolde neme bei vater zein.
Die letzten Daten sind von 1480. Damals war er noch thätig an seinem Buche, und schrieb ausser der angeführten Stelle auch an verschiedenen Orten hin und wieder auf den Rand dieselbe Bitte um drei Paternoster. Wahrscheinlich ist er bald nachher gestorben, da er sonst wohl nach seiner Gewohnheit die vielen leeren Blätter seines Buches zu weitern Eintragungen benutzt hätte. Im Todtenbuch des Klosters ist zum 27. März ein Johannes, Hofmeister in Güntersberg eingetragen, der aber nur Converse war, was bei unserm Johannes wegen seiner gelehrten Bildung unwahrscheinlich ist. Am 4. Okt. aber starb ein Mönch Joh. Bartwa, der ein Sohn des Schulzen zu Seitsch war, und dem Kloster aus seinem Erbtheil viel zugewandt hatte. Er mag nach dem Tode seiner Geschwister keine nahen Anverwandten mehr gehabt haben.
Zunächst wollen wir nun die geschichtlichen Nachrichten mittheilen, welche Johannes Bartpha auf dem ersten Blatte eintrug, und die wir hier chronologisch geordnet haben. Die ersten sind freilich sehr fehlerhaft, doch haben hm ältere Aufzeichnungen vorgelegen.
Annales Lubenses
Ausserdem ist noch von späterer Hand auf einem ungezählten Deckblatt vor dem Text folgende Klage eingeschrieben, mit den nachträglichen Zusätzen, welche wir eingeklammert haben:
1529 Sexto die sive 8. Id. Nov. spoliavit nos Dominus Fredericus (Legnicensis) clenodijs valore . . . . . . . . (in auro et argento) valentibus (plus quam) mille aureos. (Et anno superiori campanula benesonante de turre nostra.)
Wir kommen nun zu den zahlreichen poetischen Stücken unserer Handschrift, an welchen Johannes Bartpha besonderes Gefallen gefunden zu haben scheint, und welche alle Klagen über die in der That recht schlechten Zeiten enthalten. Allgemein verbreitet waren vermuthlich folgende etwas rebellische, in der Form sehr rohe und vielleicht verderbte Verse, welche auf ein Carmen de signis monachorum f. 5 folgen:
O bone Calixte cur omnis clerus odit te
Et quondam presbiteri solebant uxoribus uti.
Hoc tu pervertisti dum quondam papa fuisti.
Ergo tuum festum numquam celebratur honeste.
Von den längeren Gedichten, welche wir unten mittheilen, tragen die ersten beiden den Charakter einer früheren Zeit, und mögen noch aus dem 13. Jahrhundert sein. Sie sind im Styl der Vagantenlieder verfasst, Sprache und Metrum noch verhältnissmässig rein, wenn auch in dieser Abschrift nicht selten getrübt, wie das bei solchen Liedern häufig ist. Von diesen enthält der Dolus mundi (A) die zu allen Zeiten wiederkehrende Klage über die Ver-derbtheit der Gegenwart; alle Stände werden verworfen, keine Ausnahme gemacht. Dagegen gehört der Planctus b. Bernardi (B) speciell dem Orden der Cisterzienser an, und beklagt dessen heruntergekommenen Zustand, da die Grossen, welche ihn einst so reich beschenkt hatten, ihn jetzt berauben und plündern. Ein missgünstiger Seitenblick wird den neu aufgekommenen Orden der Bettelmönche gewidmet. Dieses Gedicht besteht aus vierzeiligen Strophen von längeren gereimten Versen und scheint mir älter zu sein, als das vorige mit seinen kurzen Reimpaaren, es stammt wohl vom Rhein oder aus Frankreich, da die Weinberge darin als gewöhnlicher Besitz der Cisterzienser öfter erwähnt werden. Uebrigens deutet im Texte selbst nichts auf diesen besonderen Orden, und wir finden dasselbe Gedicht wieder in einer Handschrift des Klosters Ranshofen am Inn, wo es für die Lage des Ordens der regulirten Chorherren eben so gut gepasst zu haben scheint.
Einen grossen Abstand in Sprache und Metrum wird man empfinden, wenn man den Zusatz hierzu liest, welcher in schlechten leoninischen Hexametern die Klagen über die Miss-handlung des Ordens, die Beraubung der Klöster, die hohen Abgaben, weiter ausführt. Die-selben Klagen, zum Theil wörtlich wiederholt, finden wir wieder in einem längeren Gedichte (C), das in Sprache und Metrum sehr ähnlich ist. So barbarisch es aber in dieser Hinsicht auch erscheint, so ist es doch noch viel zu gut für die Zeitgenossen des Johann Bartpha, Auch hat der damalige Herzog von Liegnitz, Friedrich I, ganz leidlich regiert, und die Herren, über deren schlechtes Regiment geklagt wird, könnten eher Wenzel und Ludwig sein, die Söhne des 1352 verstorbenen Verschwenders Boleslaus. An diesen selbst ist nicht zu denken, denn der hatte das Kloster Leubus sehr begünstigt, sich dort sein Grabmal in einer eigenen Kapelle gestiftet und zwei Dörfer dazu geschenkt. Wenzel aber, der bis 1364 regierte, hat die Domkirche zu Liegnitz gestiftet, wo er auch begraben ist. Er wird also für Leubus keine Vorliebe gehabt haben.
Bei aller Roheit der Form geben nun jene Verse doch ein sehr lebendiges Bild jener Zeit. Die Scheu und Ehrfurcht vor dem Orden und dem Kloster ist gänzlich verschwunden, und auch die geistliche Obrigkeit gewährt keinen Schutz mehr. Der Fürst aber weist sogar seine Diener zur Beschwichtigung auf den Abt an, und ist der Hauptschuldige, in so fern er allen Frevel ungestraft lässt. Kein Tag fast vergeht, an dem der Abt nicht etwas hergeben muss, dieser befiehlt, jener droht. Der eine verlangt Geld, der andere Korn, ein Schock Brode, Hafer, oder raubt gleich hundert Schafe. Einer setzt sich mit zu Tische, ein anderer will ein Gefäss mit Wein gefüllt haben, das sechs Maass fasst. Unter den verschiedensten Vorwänden kommen sie ins Kloster, um sich über erlittenen Schaden zu beklagen, um zu beichten, um Holz, Heu, Fische sich auszubitten, ein Pferd beschlagen zu lassen, oder auch aus Liebe zur Musik, den Chorgesang zu hören, wobei auch wohl die Bewirthung die Hauptsache sein wird. Dieser verlangt Käse, Pfefferkuchen, Aepfel, jener kommt Jahr für Jahr um Tuch zur Kleidung, und pocht darauf wie auf ein Recht; bekommt er es nicht, so hat er ein Pfand, d. h. wohl, er holt sich's in den Dörfern des Stifts. Der verlangt Fuhren, und droht die Güter zu verwüsten, wenn man sich weigert. Jener will freien Tisch, mishandelt die Mönche und schimpft die Laienbrüder. Warum doch zaudert der sonst so unbarmherzige Tod, den Mann zu holen, mit dem das Alles enden würde, d. h. doch wohl den Herzog Wenzel.
Gar schlimm ist es, wenn die Jäger mit den Knechten kommen, die unter Lästerungen gesättigt werden müssen, und dann mit ihren Hifthörnern einen greulichen Lärm vollführen, als ob der Wolf im Kloster wäre. Einer aber, dem der Herzog um seiner Wildheit willen ein Fürschreiben an den Abt gegeben hat, ihm ein Pferd zu schenken, bedroht den Abt in rohester Weise. Er habe wohl hundert Diebsgenossen und Räuber, die wie Fledermäuse umherschwärmen, wenn der Abt schlafe. Gebe dieser das Pferd nicht heraus, so werde man anders mit ihm reden.
So ergeht es den Klöstern im Gebiete dieser Herren. Kein Ritter hält das Gesindel in Zucht: möge ein Strick um den Hals den strafen, welcher die Schuld trägt. Hätte doch seine Mutter lieber Ungeheuer des Meeres zur Welt gebracht, als ihn!
D. schildert ein historisches Ereigniss, die Verwüstung des Klosters Kamenz am 30. Mai 1467 durch die Böhmen, deren Heer damals gerade die Belagerung von Frankenstein begann, wo die Breslauer so kläglich zu Schaden kamen. Der Verfasser scheint ein Kamenzer Mönch zu sein, und seine Poesie steht wieder eine Stufe tiefer, wie die vorige. Merkwürdig ist in den letzten, nicht ganz deutlichen Versen der Volksglaube, dass die Böhmen an ihren behexten Schwertern sehen konnten, wo Schätze verborgen waren.
Endlich lassen wir noch unter E einige Verse auf verschiedene deutsche und slavische Stämme und Länder folgen, obgleich sie weder schön, noch besonders lehrreich und zum Theil kaum verständlich sind, doch mögen sie immerhin zur Vergleichung mit andern Producten dieser Art von Poesie dienen, die zu allen Zeiten beliebt war, und in der Regel weit mehr böses als löbliches von den Leuten zu sagen weiss.